Ihr kennt das doch alle, oder? Da fliegt man nichtsahnend über das Meer als Passagier in einem Flugzeug, stürzt ab und landet im Wasser, umgeben von brennenden Wrackteilen in der Nähe eines Leuchtturms und weit und breit niemand in Sicht. Und das einzige was beim Leuchtturm ist, ist eine Tauchglocke. Klar, warum auch draussen auf Hilfe warten, wenn man eine Unterwasserstadt betreten kann. Aber okay, genug mit der Hetze.
Ein Spiel, was es mir in letzter Zeit ziemlich viel Spaß, Spannung und Fredue bereitet hat, ist BioShock. Und wieder versuche ich ziemlich spoilerfrei euch das Spiel ein wenig näher zu bringen. Hoffentlich klappts diesmal auch so gut, wie vorher bei „Alan Wake“.
Ach, was wurde nicht alles über den geistigen System Shock 2 Nachfolger alles gesagt und angedichtet? Ein Shooter mit Rollenspielelementen, eine Spielwiese, eine Entdeckungsreise, eine spielbare Dystopie, eine Reise in eine andere Welt. Und ganz ehrlich? 2K Games haben alles davon ziemlich ideenreich und ästhetisch ansprechend umgesetzt. Die PC- und 360-Version wurde von Irrational Games entwickelt, die PS3-Version von 2K Marin. Alle diese Entwickler gehören zu 2K Games, der für die Spiele als Publisher auftritt. 2K Games ist seinerseits eine reinrassige Tochter von Take 2 Interactive. Zu den Sprösslingen von Take 2 gehört unter anderem Rockstar Games (Grand Theft Auto, Max Payne, Red Dead Redemption, usw.), man befindet sich also in bester Familiengesellschaft. Aber genug mit Kaffee und Kuchen, jetzt wirds wieder gefährlicher.
Was direkt von Anfang an auffällt ist die Ästhetik des Spiels. Da wäre zum einen der Art Déco Stil, gemischt mit einigen Elementen des Steampunk. Dieser zieht sich konsequent durch das ganze Spiel. Denn auch wenn Verderben und Tod überall lauert: die vom wahnsinnigen Genie Andrew Ryan erdachte und erbaute Unterwassermetropole Rapture wirkt sehr lebendig. Überall Verschnörkelungen und Verzierungen im Art Déco Stil, was dem ganzen so ziemlich den 20er/30er Jahre Look gibt. Protz und Prunk in dieser Unterwasserstadt der gesellschaftlichen Elite. Der Sound, das Ambiente, die Musik, die Charaktere und die ganzen, zahllosen Kleinigkeiten machen die Stadt zu einem Erlebnis. Und man wünscht sich schon beinahe zusehen zu können, wie es war, bevor alles den Bach runterging. Als die gesellschaftliche Elite in dieser Stadt noch am feiern, leben und forschen war. Bevor ihnen ihr eigener Hunger nach mehr zum Verhängnis wurde.
Wir befinden uns in einem fiktiven Jahr 1960. Der Protagonist Jack sitzt also wie eingangs erwähnt im Flugzeug über dem Atlantik, als dieses sich spontan entschließt, ein Bad zu nehmen. Wie es der Zufall und die Storyschreiber so wollten, überlebt Jack als einziger den Absturz und kann sich gerade eben noch so zu einem nahegelegenen Leuchtturm retten. Dort kommt er zu einer Tauchkugel, die ihm und den Spieler mit einer Diavorführung die Stadt Rapture vorstellt und ihn dorthin transportiert. Diese Stadt wurde 1946 vom Industriellen Andrew Ryan erbaut, und zwar auf dem Meeresboden, aus Angst vor der Entdeckung und Einmischung durch andere Staaten. Bei der Ankunft von Jack wird man von einer Person namens Atlas an der Hand geführt und durch die ersten Spielminuten begleitet. Dieses Tutorial ist ein Paradebeispiel, wie eine Einführung in die Spielmechanik auszusehen hat. Jedenfalls erfährt man nach seiner Ankunft einiges: dass die Dystopie Raptures endgültig den Bach runtergegangen ist, dass Splicer und andere Kreaturen die Stadt unsicher machen und alles angreifen, was nicht bei drei wieder an der Meeresoberfläche ist… und dass ihr augenscheinlich nicht willkommen seid. Euer Auftrag ist, neben einem Treffen mit Atlas zwecks Rettung seiner Familie, ziemlich einfach: Überleben!
Jetzt zur Spielmechanik. Im Kern ist Bioshock, wie zahlreiche Vertreter seiner Zunft zuvor, ein Ego-Shooter den man alerdings mit einigen innovativen Elementen bedacht hat. Die Stadt, vielmehr seine Einwohner sind Opfer der Substanz ADAM geworden. Dieses verändert den Körper in seiner genetischen Struktur und gibt ihm neue Fähigkeiten, kann ihn aber auch wahnsinnig werden lassen. ADAM wurde im Spiel so verändert, dass sich dieses direkt als Plasmide und Tonika verwenden lässt, um euch zu verbessern. Blitze schleudern, Gegner und Objekte in Brand stecken, Insektenschwärme kontrollieren, Dinge und Gegner einfrieren, Objekte per Gedanken bewegen und schleudern… und noch so einiges mehr. Denn euer Überleben hängt primär davon ab, wie effektiv ihr Plasmide und Tonika nutzt und wie ihr euch durch das Spiel schlagt. Durch die Auswahl und den Kauf der Plasmide und Tonika gegen ADAM bekommt das Spiel eine deftige Würzung eines Rollenspiels und gibt euch zudem die Möglichkeit, euch so zu entwickeln, wie ihr das Spiel am liebsten spielen wollt. Da ich mich zum Beispiel gerne für ein diskretes Vorgehen mit möglichst großer Rückendeckung entscheide, hacke ich so gut wie alle Automaten und Apparaturen, denen ich über den Weg laufe. Das gibt mir einige Vorteile. Anders ist es natürlich auch möglich, mit möglichst angriffsstarken Plasmiden die Gegner reihenweise zu verbrennen. Ein starker Elektrostoß ins Wasser ist ebenfalls hilfreich, falls sich mehrere Gegner im Wasser befinden. Suchts euch aus, wie ihr im Spiel weiterkommt… es liegt ganz an euch.
Und damit komme ich zu dem, was in Bioshock allgegenwärtig ist: die Gegner! Denn was Rapture euch entgegenzusetzen hat, ist ein Albtraum. Splicer, also Menschen, die sich zur Unkenntlichkeit über jegliches Limit genmanipuliert haben und durch den permanenten Missbrauch von ADAM wahnsinnig geworden sind, sind eure primären Feinde. Diese gibt es in einigen Variationen und unterschiedlichen Bewaffnungen. Da gibt es Stellen im Spiel, da geht ihr von hinten an einen Splicer heran, hört ihm zu, wie er im Wahn Selbstgespräche führt… nur um dann herumzuschrecken und euch frontal angreift. Oder diverse Splicer Jagd auf euch machen und euch im Gruppenverband fertigmachen wollen. Maschinerie, in Form von Kameras, Sicherheitsdrohnen und Geschütze, versucht euch teilweise zusätzlich zu behindern. Diese könnt ihr jedoch hacken, das ganze funktioniert an ein Pipemania-angelehntes Minispiel, nach deren erfolgreichen Abschluss euch Vergünstigungen erwarten (z.B. Droiden und Geschütze, die für euch kämpfen, günstigere Preise und mehr Auswahl an Automaten). Aber dann benötigt ihr immer noch an einigen Stellen das ADAM… und da wären noch die „Little Sisters“ und ihre Beschützer, die „Big Daddys“.
Wem schon ein wenig unwohl zumute war, wenn er zum ersten Mal eine „Little Sister“ gesehen hat… nun, lasst euch eines gesagt sein: Ihr wollt jede Konfrontation mit „Big Daddys“ vermeiden, wo es nur geht. Diese schwergepanzerten Monster sind alles andere als einfache Gegner und auf ihre „Little Sister“ fixiert, die sie beschützen. Begegnet ihr einem „Big Daddy“ im Spiel, schaut erst, ob eine „Little Sister“ in seiner Nähe ist. Andernfalls solltet ihr ihn einfach ignorieren, wenn ihr einem kräftezehrenden Gefecht aus dem Weg gehen wollt. Da die Splicer aber von Natur aus aggressiv sind, greife diese auch „Big Daddys“ an, und wird damit automatisch euer ungewollter, passiver Verbündeter. Wollt ihr aber an die Substanz ADAM heran, die nur über die „Little Sisters“ zu erhalten ist, müsst ihr zuerst zwingend ihren Beschützer ausschalten. Zur Vorbereitung gehört folgendes:
– volle Anzahl an Medipacks und EVE-Spritzen
– genügend panzerbrechende Munition
– genügend Deckungsmöglichkeiten zum Heilen
– strategisch günstige Orte für Feuerpausen zum Nachladen
Ist der Daddy erstmal Kleinholz, gehts an die „Little Sister“… und hier wirds richtig fies: ihr habt, um das ADAM zu erhalten zwei Möglichkeiten. Entweder ihr entzieht ihr zwangsweise das gesamte ADAM und tötet dabei die Sister, oder ihr nehmt nur einen kleinen Teil und erlöst sie dabei von ihrem Dasein als Little Sister und bleibt am Leben. Das bestimmt dann auch direkt den Schwierigkeitsgrad, da ihr mit weniger ADAM natürlich auch weniger an Plasmide und Tonika herankommt. Und es beeinflusst das Spieleende. Ich will jetzt nicht soweit gehen und sagen, dass jede Entscheidung Einfluss auf den kompletten Spielverlauf hat, aber es erweckt zumindest sehr stark den Eindruck, als ob es wirklich der Fall ist. Zieht euch tiefer in das Spiel hinein und macht das gesamte Erlebnis namens BioShock noch intensiver.
Technisch muss sich BioShock nicht verstecken. Da wären zum einen die wunderschön anzusehenden Wassereffekte. Selten sah Wasser, auch das „Unterwasser“ so realistisch und „nass“ aus. Die Gegner agieren so, wie man es von ihnen erwarten würde. Effekte wie Rauch, Wasser, Feuer, Blitze etc. sind sehr gut ausgearbeitet und tragen zum Gesamtlook des Spiels bei. Der ist mit seiner Farbgebung insgesamt sehr dreckig, zugleich protzig genug um den Look des Spiels zu erhalten. Die musikalische Untermalung ist, inklusive der orchestralen Hintergrundmusik an einigen Stellen, herausragend. An vielen Stellen tönt euch Musik von Künstlern wie Noël Coward, Bing Crosby, Bobby Darin und anderen namenhaften Künstlern der ganz alten Schule (no offense) entgegen. Nicht selten kommt man sich vor, wie an einen unwirklichen Ort gezogen, abseits von Vernunft, Logik und Ethos und wird wenige Sekunden später wieder gezwungen seine Gedanken abzuschütteln, wenn man wieder unter Beschuss steht. Man läuft Gefahr, sich in Rapture zu verlieren, so einvernehmend ist das Erlebnis, was dieses Spiel offenbart. Und steht momentan ziemlich einsam… denn solche Spiele wie dieses, wo die Programmierer mit dermaßen viel Liebe zu Gange waren, gibt es heutzutage leider viel zu wenig.
Ich hatte heute noch ein sehr interessantes Gespräch mit meinem Kumpel nostradamus gehabt. Letztlich kamen wir beiden zum selben Schluss, dass es in den letzten Jahren viele Spiele gab, die diese Bezeichnung eigentlich kaum verdienten. Zensur, fehlender Spielspaß, zu wenig Spielzeit, Innovationsarmut, keine Liebe zum Detail, Abzocke durch die Publisher, … ein Armutszeugnis für die gesamte Spielebranche sollte man meinen. Wo dem Publisher und den Entwicklern nur das Geld im Vordergrund steht und nicht der Spaß, den man mit dem Spiel haben sollte. BioShock ist eine der Ausnahmen, die mir einmal mehr bewusst machen, was für ein wunderbares Hobby das Spielen von Videospielen ist. Und dass sich zukünftige Entwickler und Publisher eine große Scheibe von dem Spirit und dem Elan abschneiden können, mit dem dieses Spiel erschaffen worden ist. Ich verneige mich vor Irrational Games und bedanke mich für eines der besten Spiele, was ich in meiner langjährigen Laufbahn als Videospieler jemals habe spielen dürfen.
Als Fazit bleibt zu sagen, dass auch Spieler, die Ego-Shootern unter Umständen nicht viel abgewinnen können, BioShock zumindest mal anspielen sollten. Es ist mehr als nur ein Shooter, es ist ein einvernehmender Survival-Trip in ein verlorenes Paradies auf dem Meeresboden.
Bitte beachten:
Ich habe mich bei meiner Rezension einzig und alleine auf die ungeschnittene 360-Version dieses Meisterwerks bezogen. Es kann sein, dass gegebenenfalls Abweichungen zur geschnittenen deutschen USK-Fassung, sowie der PC- und PS3-Fassung existieren, die ich hier mangels Möglichkeiten nicht mit einbeziehen kann.
P.S.
Die Limited-Edition von BioShock 2 wird in Kürze in mein Eigentum übergehen ^.^
– Name und Systeme:
BioShock (Xbox 360, PlayStation 3, PC)
– Spieleranzahl:
1
– Mehrkosten:
kostenloser DLC für Zusatzplasmide und Tonika
– gelungen:
Atmosphäre, Musik, Gameplay
– weniger/nicht gelungen:
/
– hätte besser sein können:
Steuerung einen Tacken zu träge
– Kaufempfehlung für:
Shooter-Fans die mal was anderes wollen, ehem. System-Shock-Spieler
Bitte beachten!
Dieses Spielereview unterliegt ausschließlich meiner persönlichen Betrachtungsweise und ist zu keinem Zeitpunkt dem Leser Objektivität schuldig. Die Eindrücke und Erfahrungen während des Spielens können, abhängig vom Gemütszustand der spielenden Personen, Fanboyallüren, verwendeter Technik und anderen ggfs. relevanten Faktoren stellenweise erheblich variieren. Dieser Artikel stellt keine Werbung im eigentlichen Sinne dar, sondern spiegelt lediglich meine eigene Betrachtung des Spiels wieder. Das Lesen dieses Artikels ist für alle Altersgruppen gestattet, für den Erwerb des Spiels gelten die jeweils gültigen nationalen Jugendschutzgesetze.