Review – Fallout 3

Ein Novum für dieses und zukünftige Reviews: Da unzählige „richtige“ Spielejournalisten bereits zu Genüge auf Daten wie Grafik, Sound etc. eingehen, werde ich diese in meinen Reviews jetzt und in Zukunft mehr oder weniger auslassen. Es sei denn, es sind besondere spieltragende Elemente, die über den gewöhnlichen zweckmäßigen Usus hinausgehen. Und jetzt viel Spaß beim Lesen.

Ich habe lange darüber nachgedacht, wie ich dieses Review am besten anfange. Wie ich auf die Feinheiten des Spiels, die Story und die Wege zum Ende des Spiels eingehe. Das Spiel an sich in seiner Struktur beleuchte, euch näher bringe und die Grenzen des Spiels aufzeige. Das ist bei diesem Spiel hier nämlich nicht ohne weiters möglich. Eigentlich kann ich euch nicht einmal sagen, wie man dieses Spiel überhaupt spielen soll. Der Name des Spiels? Es trägt den Titel „Fallout 3“.

Die Fallout-Riege, Interplays Erbe an die Spielerwelt, erblickte im Jahr 1997 das Licht der Erde. In 3rd-Person Perspektive schlugt ihr euch damals durch die postapokalyptische Welt, die nach einem Atomkrieg verwüstet und in jeglicher Hinsicht gebrandmarkt, verstümmelt und für immer verändert worden ist. Das gilt für die Umgebung, Gebäude, Städte, Landschaften ebenso wie für Flora und Fauna… und die Menschen.

Die Geschehnisse von „Fallout 3“, das Ende 2008 erschienen ist, spielen im Gebiet um die ehemalige Hauptstadt Washington DC, das nunmehr als „Ödland der Hauptstadt“ bekannt ist. Ihr seid noch nicht mal auf der Welt, als das Spiel schon losgeht. Ihr werdet in einer sog. „Vault“ geboren, einem Schutzbunker, der vielen Menschen Lebensraum und Schutz vor der lebensfeindlichen Umwelt bietet. Ihr lernt laufen und zusammen mit diversen Episoden eures frühen Lebens werdet ihr behutsam in die Steuerung und das Gameplay eingeführt. Werte und Eigenschaften für euren Charakter legt ihr währenddessen fest. Zeitraffermäßig werden größere Abschnitte eures noch frühen Lebens übersprungen, bis ihr letztlich am Wendepunkt eures Lebens in der gesicherten Vault gelangt: ihr müsst hinaus in die Welt.

Und von diesem Punkt seid ihr an auf euch allein gestellt. Was einen zu diesem Zeitpunkt erst einmal überwältigt, ist die schiere Größe dieser Welt. Es liegt nun an euch, ob ihr euren Pip-Boy (Allzweckgerät, Karte, Radio, Charaktermenü und Inventar in einem) aufruft, um das nächste Missionsziel zu lokalisieren, oder euch erstmal umseht. Doch vorsicht, der Tod hat in „Fallout 3“ viele Gesichter. Was das Dasein in der postnuklearen Einöde schwierig macht, sind nicht nur die Gegner, die euch als Banditen, Soldaten, Roboter, Mutanten, Ghuls oder (u.a. mutierte) Tiere auf den Fersen sind, sondern die Strahlung. Der Geigerzähler verrät euch, ob ihr einer Strahlungsquelle ausgesetzt seid. Die Folgen einer Strahlenvergiftung wirken sich zunächst negativ auf eure Statuswerte des Charakter aus, ab einer bestimmten Höhstmenge an RADs (engl. radiation absorbed dose) stirbt euer Charakter. Strahlung wird fast überall aufgenommen: sei es mit kontaminierter Nahrung, bei Kämpfen gegen stark verstrahlte Gegner oder Aufenthalt in der Nähe von stark radioaktivem Material. Und Medizin gegen Strahlenvergiftung ist knapp und nicht selten sehr teuer. Vorsicht ist in jedem Fall geboten.

Die Geschehnisse des Spiels lenken euch immer weiter in die Gebiete rund um das Ödland der Hauptstadt. Aber wie ihr vorgeht, was ihr tut und wie ihr es tut, wie ihr mit den Leuten interagiert, steht euch gänzlich offen. Beklaut alles, was ansatzweise wohlhabend aussieht. Nehmt alle Gegenstände mit, die ihr nehmen könnt. Besorgt euch Informationen ohne Ende. Belügt die Leute und spielt sie gegeneinander aus. Bringt alle um. Rettet jedes einzelne Lebewesen. Geht auf die Jagd nach bestimmten Gegner, bzw. Tieren. Spart euch ein Vermögen zurecht. Helft allen Leuten, denen ihr begegnet. Wie ihr „Fallout 3“ angeht, ist vollkommen euch überlassen. Aber denkt daran, dass euer Handeln Konsequenzen hat. So wird ein Händler, wenn er mitbekommt, dass ihr ihn beklaut, euch von diesem Punkt an nur noch feindlich gesonnen sein und einige mit dem Händler verbündete Personen werden euch sofort bei Sichtkontakt angreifen. Ihr könnt in diesem Fall nur noch auf eine relativ kleine Beute hoffen, wenn ihr den Händler tötet, dann habt ihr aber die gesamte Stadt gegen euch. Klar, tötet die gesamte Stadt, es ist euch überlassen. Ob ihr es tut, ist eure Entscheidung. Und es hat Konsequenzen.

Es ist schwer über ein Spiel zu schreiben, das zwar eine gute Story hat, aber nicht gespoilert werden soll, bzw. das dem Spieler einen derartigen Handlungsspielraum lässt, wie es seit den vorherigen Fallout-Teilen für PC (mit einigen wenigsten Ausnahmen) nicht mehr der Fall gewesen ist. Deswegen möchte ich mich hier an dieser Stelle dem Gameplay widmen. Es steuert sich nämlich wie ein Shooter aus der Ego-Perspektive, und das obwohl es ein reinrassiges Rollenspiel ist. Auf Knopfdruck könnt ihr aber auch in eine 3rd-Person Perspektive wechseln, ihr seht eurem Charakter dann komplett auf dem Bildschirm. Zum Zielen ist aber die 1st-Person Ansicht zu bevorzugen. Im Gegensatz zu „Borderlands“ allerdings ist „Fallout 3“ nicht zu den Action-Rollenspielen zu zählen, sondern stellt einen Vertreter des klassischen (?) RPG-Genres dar. Mit allerlei Schusswaffen und Granaten setzt ihr euch mal mehr, mal weniger erfolgreich zur Wehr. Auch das erledigen der Gegner will gelernt sein, denn neben der typischen Shooter-Anvisierungsmethode gibt es das V.A.T.S. (Vault-Tec Assisted Targeting System), mit dem bestimmte Regionen des Gegners anvisiert und angegriffen werden können. Je nach Region und Erfolgsaussichten verbraucht ihr hierfür eine bestimmte Anzahl an Aktionspunkten, die sich mit der Zeit erst nach und nach wieder regenerieren. Allen PC-Shooter-Enthusiasten, die direkt frohlocken, mit Maus und Tastatur ohne das V.A.T.S. überlegen zu sein, muss ich einen kleinen Dämpfer verpassen. Alle Werte, wie auch der Treffer, Schaden etc. werden in Abhängigkeit der Werte eures Charakters, der Waffe und dem Gegner errechnet. Mit der Zielmethode per Maus leistet man nur minimale Nachjustierung. Soll heißen: nur, weil ihr pixelgenau den Kopf anvisiert, wird es noch lange kein Headshot. Beide Methoden haben ihre Vor- und Nachteile, ich persönlich bevorzuge das V.A.T.S..

Waffen verwaltet ihr im Inventar über euren Pip-Boy, ebenso all das Zeug, was ihr aufhebt. Ihr solltet euch aber im klaren darüber sein, dass ihr nur eine begrenzte Menge mit euch rumtragen könnt. Tragt ihr zuviel, könnt ihr nicht mehr laufen und springen, sondern euch nur noch langsam fortbewegen. Erreicht ihr die Maximallast, könnt ihr euch gar nicht mehr fortbewegen. Sammlen gut und schön, aber man darf es nicht übertreiben. Auch um den Zustand eurer Waffen solltet ihr euch kümmern. Eine kaputte Waffe tötet genau einen einzigen Idioten: nämlich den mit dem Finger am Abzug! Ihr könnt entweder in einem entsprechenden Laden eure Ausrüstung wie Waffen, Rüstung etc. reparieren oder euch mit in der Wildnis gefundenen Gegenständen behelfen und aus zwei beschädigten Waffen eine etwas repariertere Version herstellen. Für alles, was ihr kaufen und reparieren lassen wollt, sind Kronkorken unerlässlich, denn sie bilden die einzige funktionierende Währung in Fallout. Ihr könnt nahezu alles, was ihr findet verkaufen, aber nicht jeder gibt euch dieselbe Menge an Kronkorken dafür. Mehr noch: verkauft ihr alles einem Händler, kann es sein, dass er keine Kronkorken mehr hat, die er euch im Tausch überlassen könnte. Verschiedene Händler aufzusuchen ist also zwingend erforderlich, wollt ihr noch etwas für euren Schrott haben.

Die Charakter-Anpassungsoptionen sind vielfältig. Neben euren Charakterwerten, die ihr am Anfang des Spiels festlegt erlernt ihr mit jedem Level neue Fertigkeiten (lediglich passive, immer aktive Skills), die ihr individuell auswählen könnt. Neben solchen, die euch Vorteile bei bestimmten Aktionen wie Hacking, Diebstahl, Kaufverhandlungen, Medizin etc. verschaffen gibt es auch solche, die eure Charakterwerte dauerhaft verbessern. Auch bestimmte Aufträge verschaffen euch Punkte, die in neue Fähigkeiten investieren könnt. Kurz: es ist möglich, sich in verschiedenen Bereichen zu spezialisieren und das Spiel zu einem sehr individuellen Erlebnis werden zu lassen. Der Maximallevel liegt bei 30, mit diesem Level sind die meisten Gegner kein Problem mehr für euch. Leider ereicht ihr relativ schnell den Maximallevel (ungefähr nach 50-60 Std. Spielzeit). Absolvierte Aufträge und erledigte Gegner verschaffen euch die für den Levelaufstieg nötigen Erfahrungspunkte.

Um wieder zum Ödland der Hauptstadt an sich zurückzukehren: diese riesige Spielwelt lädt zum erforschen und verweilen ein, trotz ihres lebensfeindlichen Charakters. Und gerade die bizarren Stellen werden euch einmal mehr zum Nachdenken anregen, euch in das Spiel hineinziehen. Euch nachdenken lassen. Oder euch schlicht und ergreifend schocken, was sich dann auch auf euer Handeln im Spiel auswirken wird.
Ein Beispiel mit minimalem Spoiler? Bitte sehr, alle anderen die diesen (nicht für die Hauptstory relevanten) Spoiler nicht lesen wollen, überspringen die folgenden Sätze bis zur Entwarnung. Ihr entdeckt eine andere Vault, die ihr einfach aus Lust und Laune erforschen wollt. Im Vorraum zur Schleuse befindet sich noch niemand, aber die Stille und das Blut auf dem Boden spricht Bände. Einen Korridor und Zwischenraum weiter kommen diverse wahnsinnige Gegner bewaffnet auf euch zu. Jeder mit demselben Namen, aber einer anderen Nummer nach dem Namen. Und spätestens nach dem dritten beginnt ihr zu ahnen, was hier Grausames vorgefallen sein muss. Suchte nicht nur nach Items, sondern nach Beweisen für die Ereignisse in dieser Vault. Habe alles genommen, was verwertbar war, und habe die Vault verlassen. Nicht eher jedoch, bevor ich nicht jeden einzelnen von seinem Leiden erlöst habe. Diese Vault habe ich nie wieder betreten. Es sollte aber nicht der einzige Ort sein, an dem sich sehr bizarre Dinge ereignen, die nicht dem vom Spieler gewohnten Weltbild entsprechen.
Spoiler Ende.

Das macht auch den Reiz des Fallout Universums aus. Eine was-wäre-wenn Version unserer Welt, wenn es einen kulturellen Entwicklungsstopp, kurz darauf den technischen Hochfortschritt gegeben hätte und einen verheerenden Nuklearkrieg wenige Jahrzehnte später. Sehr viele der Personen, denen ihr im Spiel begegnet, habe ihre eigenen Weise gefunden, mit der Apokalypse zurechtzukommen. Leben ihr Leben, mal besser, mal schlechter. Tod, Krankheit, Strahlung und Bedrohung sind allgegenwärtig in dieser scheinbar verlorenen Welt. Einer Welt, der ihr mit allen Facetten ausgeliefert seid. Und in der ihr euren Weg finden müsst. Leute töten oder ihnen helfen? Den Gesprächspartner anlügen oder die Wahrheit erzählen? Geschütztürme per Computer hacken und auf eure Seite bringen oder sie mit Waffengewalt unumkehrbar vernichten? Im Laden einkaufen oder den Verkäufer beklauen? Sich die Welt zum Feind machen oder sie retten? Es ist alleine eure Wahl.

Leider ist der Titel nicht ohne Makel. „Fallout 3“ läuft mit einer angepassten Version der Oblivion-Engine. Stellenweise zerstören einige Bugs und unnötige Grafikfehler das an sich gute Spielgefühl, wenn ihr zum Beispiel eine oder mehrere Missionen nicht richtig abschließen könnt. Das merkt ihr spätestens dann, wenn ihr eine vom Gegner fallengelassene Waffe aufnehmen wollt, diese aber scheinbar durch den Boden gefallen ist. Oder ihr Zeichenfehler bei der Textdarstellung auf dem Pip-Boy habt. Oder ihr eine Tür nicht öffnen bzw. einen Schalter nicht betätigen könnt. Wirklich spielzerstörende Glitches sind zwar eher selten, aber auch möglich. Mehrere Spielstände sind also dringend empfohlen, wenn ihr euch nicht das Spielerlebnis versauen wollt, wenn eine Quest bzw. ein für die Quest notwendiger Auslöser nicht richtig funktioniert. Einige Guides im Internet geben umfangreiche Informationen über diese Fehler und wie sie unter Umständen zu vermeiden sind. Das ist insofern wichtig, da ich nicht glaube, dass der Publisher in naher Zukunft nochmal ein wenig Hand an das Spiel anlegen wird, um diese Fehler zu beseitigen.

Vergesst, was ihr glaubt über Rollenspiele gewusst zu haben. Wer sich in Spiele ausdrücken will, bekommt hier die optimale Chance dazu. Eine größere Sandbox als die Fallout-Rollenspiele werdet ihr in absehbarer Zeit nicht zu Gesicht bekommen (das heisst, den quasi-Nachfolger „Fallout: New Vegas“ mal ausgenommen). Für Genrefans, die mal eine Abwechslung vom Japano- oder Fantasy/Mittelalter-Setting haben wollen, definitiv ein Pflichttitel für die Sammlung. „Fallout 3“ ist trotz seiner Makel ein postapokalyptischer moderner Klassiker. Die „Game of the Year“-Edition ist in jedem Fall zu bevorzugen, hier befinden sich alle fünf Zusatzinhalte, die das Spiel sinnvoll erweitern (und „Broken Steel“ stellt eine Erweiterung der Hauptstory dar, insofern also wichtiger DLC).

Das Spiel spart stellenweise nicht mit überzogener Gewaltdarstellung, die allerdings meines Erachtens gut in den Kontext von Zerstörung, Tod und Elend passt. Die deutsche, von der USK geprüfte Version ist nur geschnitten im deutschen Handel erhältlich. Die Uncut-Fassung befindet sich seit Anfang August 2009 auf dem Index für jugendgefährdende Medien. Ein Rollenspielepos für Erwachsene.

– Name und Systeme:
Fallout 3 (360, PS3, Windows PC)

– Spieleranzahl:
1 (Einzelspieler)

– Mehrkosten:
Zusatzinhalte „Operation: Anchorage“, „The Pitt“, „Broken Steel“, „Point Lookout“ und „Mothership Zeta“ (zu jeweils unterschiedlichen Preisen, umgerechnet aber ca. 10€ pro DLC; alle DLCs sind in der „Game Of The Year Edition“ komplett auf Disc vorhanden)

– gelungen:
Atmosphäre, Gameplay, Entscheidungsfreiheit, Komplexität, Umfang, hoher Wiederspielwert, gute Vertonung (Deutsch und Englisch)

– weniger/nicht gelungen:
stellenweise heftige Bugs, stellenweise Grafikaussetzer, wenige Übersetzungsfehler

– hätte besser sein können:
Qualitätskontrolle und Troubleshooting bei der Entwicklung scheinbar zu sehr vernachlässigt

– Kaufempfehlung für:
Freunde der Fallout-Reihe, Rollenspieler, Sandbox-Fans

Bitte beachten!
Dieses Spielereview unterliegt ausschließlich meiner persönlichen Betrachtungsweise und ist zu keinem Zeitpunkt dem Leser Objektivität schuldig. Die Eindrücke und Erfahrungen während des Spielens können, abhängig vom Gemütszustand der spielenden Personen, Fanboyallüren, verwendeter Technik und anderen ggfs. relevanten Faktoren stellenweise erheblich variieren. Dieser Artikel stellt keine Werbung im eigentlichen Sinne dar, sondern spiegelt lediglich meine eigene Betrachtung des Spiels wieder. Das Lesen dieses Artikels ist für alle Altersgruppen gestattet, für den Erwerb des Spiels gelten die jeweils gültigen nationalen Jugendschutzgesetze.