Für ein Spiel, was nach vierzehn Jahren endlich mal erscheint, wurde es von Käufern und Kritikern zerrissen wie kaum ein anderes Werk. Die entscheidende Frage, die sich mir stellt, ist folgende:
Ist „Duke Nukem Forever“ ein schlechtes Spiel?
Um das zu beantworten, habe ich das Spiel nahezu vollständig gespielt und kann mir ein Fazit erlauben. Klar, es ist nicht alles Gold, was glänzt. Aber seinen eigentlichen Auftrag hat „Duke Nukem Forever“ erfüllt. Nämlich ein sehr spaßiges Spiel zu sein, dass von seinem Retrocharm lebt und sich selbst nicht ernst nimmt. Aber kurz zur Story selbst.
Nach knapp 12 Jahren spielt der Duke sein eigenes Spiel, in dem er abschließend den Endboss aus „Duke Nukem 3D“ erledigt, während er sich von seinen beiden Freundinnen im Schulmädchenkostüm versorgen lässt. Nachdem beide ihm die Flötentöne näher gebracht haben, bereitet sich der Duke auf sein Interview vor, während Aliens auf der Erde ankommen. Diese kommen scheinbar in friedlicher Absicht (ja nee, is klar) und der Präsident der vereinigten Staaten verbittet sich jegliche Einmischung des Duke. Klar, dass das nicht sehr lange gut geht und der Duke wieder die Kohlen aus dem Feuer holen muss.
Was soll ich sagen? In klassischer Manier ballert ihr euch durch die Levels und erledigt alles, was ansatzweise nicht menschlich aussieht. Das Gegnerarsenal ist dabei vielfältig und reicht von Echsenmenschen über Schweine-Cops bis hin zu fliegenden Oktopus-Gehirn-Mischungen. Weniger vielseitig ist das Arsenal, denn obwohl es genügend Argumentationsverstärker gibt, kann der Duke nur zwei gleichzeitig tragen (BITTE WAS???). Wenn das einen Tribut an modernes Gameplay darstellt, hätte ich es lieber ein wenig klassischer gehabt. Mit mehr Waffenauswahl und so. Aber okay, weiter im Text. Ihr könnt auf Knopfdruck rennen, leider geht dem Duke nach sehr kurzer Zeit die Puste aus (WHAT THE HELL?), dass man sich fragt, wie jemand wie er überhaupt zu diesem gottgleichen Ruhm gelangt ist, der ihm im Spiel über die gesamte Zeit verfolgt? Eine Anzeige für Lebensenergie gibt es nicht wirklich, stattdessen gibt es eine EGO-Anzeige. Interaktionen mit verschiedenen Objekten im Spiel (Flipper, Spiegel, Toilette, etc) erhöhen seine EGO-Leiste dauerhaft. Diese stellt den quasi-Schutzschild dar. Durch Beschuss nimmt sein EGO ab; ist die Leiste geleert sollte man zügig Deckung aufsuchen. Das ist insofern knifflig, da es kein wirklich gut funktionierendes Deckungssystem gibt. Es gilt nach Augenmaß zu überprüfen, welches Hindernis ausreichend Bauhöhe und damit Schutz vor feindlichem Beschuss bietet. Solltet ihr doch einmal das zeitliche segnen, lädt das Spiel am letzten Checkpoint. Leider mit derselben wahnsinnigen Ladezeit wie auch die gesamten Levels, wenn ein neuer Abschnitt geladen wird. An frustrierenden Stellen ist also weniger der Bildschirm an sich Schuld an diversen Ausrastern vor dem Bildschirm, sondern die VERDAMMTEN KREUZVERF***TEN LADEZEITEN!!!!!
Zum Schwierigkeitsgrad: ihr habt anfang drei zur Auswahl. Ihr könnt das Spiel auf dem Schwierigkeitsgrad „Locker“, „Mittel“, „Schwer“ und nach Absolvierung auf einem der vorherigen drei Stufen könnt ihr das Spiel dann auf „Verrückt“ spielen. Und ganz ehrlich? Ich kann mir nicht vorstellen, dass man sich speziell den letzten Grad freiwillig antun will.
Warum ich das sage? Nun, ich habe ja schon erwähnt, dass dem Duke nach gefühlten zehn Metern Sprint die Puste ausgeht. Dasselbe gilt auch für seine Widerstandkraft in Bezug auf feindliche Geschosse. Der Duke hält nicht besonders viel aus. Ich weiss nicht, wie oft mich die Gegnermassen einfach niedergeschossen haben… und das auf dem Schwierigkeitsgrad „Normal“. Also, normal finde ich das nicht. Munition ist nicht gerade Mangelware, ein wenig mehr wäre hier aber mehr gewesen. Besonders, wenn man sich einige Gegnerwellen im Spiel anguckt, denen man durchaus in bester Spartiaten-Manier das Prädikat „300!“ entgegenbrüllen möchte. Immerhin kommen die meisten Gegnermassen nicht unvorhergesehen, denn das Spiel ist ziemlich linear und lässt, von einigen wenigen Minispielaktvitäten im Strip-Club mal abgesehen, kaum Raum für Ausflüge abseits der Piste. Apropos Piste: ab und an setzt ihr euch hinter das Steuer eines Monster-Trucks und fahrt ein wenig rum. Nehmt dabei Gegner auf’s Korn auf eure Motorhaube und vollführt an strategisch wichtigen Stellen Sprünge an Rampen (die notwendig sind, um in den nächsten Abschnitt zu gelangen). Zwischenzeitlich geht der Karre aber rein zufällig der Sprit aus (rein zufällig natürlich, ja nee is klar), dass ihr euch dann wieder zu Fuß auf den Weg machen müsst. Entweder um Treibstoff zu suchen oder weil ihr das Fahrzeug nicht mehr verwendet. Auch wenn die Fahreinlagen Abwechslung bringen, das Gegenteil von „gut“ ist halt immer noch „gut gemeint“. Der Schlauch zieht sich konsequent durch das ganze Spiel und die Fahreinlagen vermitteln nur an der Oberfläche in den ersten paar Minuten das Gefühl von Freiheit.
Ihr habt noch Steroide und Bier, die sollte ich nicht vergessen zu erwähnen. Mit Bier nehmt ihr weniger Schaden, habt aber dann für die Dauer des Effekts eine äußerst verschweommene Sicht auf die Dinge (und das meine ich im wortwörtlichen Sinn, nicht nur im übertragenen). Selbst ich bin nicht so drauf nach einer Dose Bier. Steroide machen euch für kurze Zeit ziemlich schnell und extrem stark, könnt dann aber nur den Nahkampf mit den Fäusten einsetzen. Eine Nachtsichtbrille habt ihr auch, deren Einsatz nicht zeitlich begrenzt ist (Energieverbrauch) wie noch beim Vorgänger „Duke Nukem 3D“. Sogar der Holo-Duke hat es in das Spiel geschafft, dieser lenkt die Gegner mit einer holografischen Kopie eurer selbst sehr gut ab.
Das Waffenarsenal ist stark an das aus dem indizierten Vorgänger angelehnt, leider könnt ihr jedoch immer nur zwei Waffen mit euch führen. Das ist für ein solches Spiel einschränkend und führt immer wieder zu frustigen Stellen. Zum Beispiel, wenn ihr einen Checkpoint mit unzureichend Munition erreicht, euch dann eine Gegnerhorde angreift und ihr mehr als einmal den Ladebildschirm seht, weil ihr der Übermacht mit eurer Ausrüstung einfach nicht gewachsen seid. Die Rohrbomben haben es auch wieder in das Spiel geschafft, ebenso die Haftminen, was an einigen wenigen Stellen im Spiel ein wenig Taktik bei Platzierung und Detonation erfordert. Geht dann später wieder in Dauergeballer über, aber was solls?! Die gelegentlichen Puzzleeinlagen sind witzig und wirken unter Umständen ein wenig sporadisch ins Spiel integriert, stellen sie doch einen Bruch zum sonst dominierenden Action-Gameplay dar.
Man weiss anfange nicht so recht, was man von diesem Spiel halten soll. Dennoch, trotz der Mängel stellt sich nach kurzer Zeit der Spielspaß ein. Hier wird kein bierernster Krieg von anno dazumal oder „moderne Kriegsführung“ (gähn) mit möglichst vielen Explosionen, Hollywood-Einheitsbrei-Inszenierung und kaum richtigem Inhalt als Alleinstellungsmerkmal geliefert, sondern ein Spiel, das sich selbst zu keinem Moment Ernst nimmt. Zu keinem Zeitpunkt. Der Duke inszeniert sich selbst übermächtig und kriegt mehr als einmal (siehe Ladebildschirm aus der Hölle) eins auf den Deckel. Frauen liegen ihm zu Füßen und werden an Bord des Raumschiffs für außerirdische Sexperimente verwendet. Eine Power Armor ist was für Pussys, aber der Duke geht nach wenigen Treffern immer zu Boden. Das Spiel ist voll von diesen Widersprüchen, die einen sehr großen Teil dieses speziellen Spielhumors ausmachen. Und wer wollte nicht schonmal als Mniaturausgabe in einem Burgerladen den Strom abstellen, weil er sonst nicht über den überfluteten Boden kommt, und dabei heißen Herdplatten und gegnerischen Geschossen ausweichen muss? Eben!
Technisch hinterlässt das Spiel einen sehr gemischten Eindruck. Die Grafik wirkt einfach nicht mehr zeitgemäß und der Sound hat auch bessere Zeiten erlebt. Woran man sich anfangs besonders gewöhnen muss, ist der Unschärfefilter bei entfernten Objekten, der das Zielen über Distanz zu einer Geduldsprobe für die eigenen Augen macht. Alle NPCs sehen so aus, als seien sie aus einer sehr überschabaren Anzahl an Klonherstellungsprozessen entstanden. Die Physik-Engine tobt sich selten aus, hat dann aber solchen Patzer wie die katastrophale Ballphysik am „Balls of Steel“ Flipper oder die komplett unrealistische Ballphysik (wenn man mal versucht einen Basketball zu werfenn, weiss man, wovon ich rede). Über das Airhockey bereite ich an dieser Stelle mal den gnädigen Mantel des Schweigens.
Es freut mich ja auch, dass man Manfred Lehmann, deutsche Synchronstimem von Bruce Willis, für die Vertonung des Duke gewinenn konnte. Aber wenn es dann stellenweise sehr lustlos und unmotiviert klingt, dann macht es nicht sehr lange Spaß ihm dabei zuzuhören. Jon St. John ist und bleibt die Originalstimme vom Duke, keiner bringt den egozentrischen Badass mehr rüber als er, und das in allen Facetten. Zur Hölle nochmal, selbst alle NPCs (und die Frauen erst recht) klingen um einiges besser im englischen Original. Wer der englischen Sprache mächtig ist, schaltet die Sprache im Spiel um. (Ich habe auf der 360 nur die Möglichkeit die Sprache umzustellen, indem ich die Sprache der Konsole über die Systemeinstellungen ändere.) Man mag mich für einen anglophilen Bastard halten, aber bei der deutschen Synchro wurde unnötig viel Potential einfach verschenkt. Mehr Zeit hätte dem Spiel gut getan, und damit spreche ich nicht nur von der Synchro.
Gearbox Software hat ein schweres Erbe angetreten. Das Vermächtnis von 3D Realms lastet schwer auf diesem engagierten Team, die mehr als alles andere den Duke erhalten wollten. Das Spiel, auf das eine sehr große Spielerschaft seit über einem Jahrzehnt gewartet hat, endlich in die Läden zu stellen. Wenn man sich Informationen zu diesem Studio holt, wird auch klar, mit welcher Leidenschaft nicht nur die ursprünglichen Entwickler zu Werke waren, sondern sich auch bei Gearbox Software fortgesetzt hat. Da wurde echte Liebe reingesteckt, und das ist ein Umstand, den man trotz der Mängel niemals außer Acht lassen darf. Das Spiel wurde nicht mit dem Ziel produziert, möglichst perfekt zu sein, sondern dem Spieler ein Erlebnis mit dem Duke zu liefern, an das sie sich noch lange erinnern werden. Und das spürt man, wenn man das Spiel in die Konsole legt (oder auf dem PC installiert) und zum ersten Mal startet. Das, und die Erwartungshaltung inkl. der Fans, die bis zuletzt an das Spiel geglaubt hatten, machen das Spiel zur fleischgewordenen Legende. Eine Legende, die nicht ohne Makel ist. Aber was ist Perfektion schon wert, wenn man einfach nur dreckig und ungezwungen Spaß haben will? Flummis an Hauswände zu werfen ist eine Sache, aber mit Bällen aus Schlamm und Dreck macht es meiner Erfahrung nach wesentlich mehr Spaß ^^
Sexistisch? Jep. Überzeichnet und nicht ernstzunehmen? Jep. Stellenweise unfair by design? Jep. Gameplay von vor 20 Jahren? Aber sowas von. Einfach nur eine dreckige, ehrliche Ladung Spaß? In jedem Fall!
Ist es ein Meisterwerk? Nein. Ist es ein Totalausfall? Nein. Es ist irgendwas dazwischen. Weder Fisch, noch Fleisch, noch Geflügel, noch Tofu, noch Gemüse. Es ist der schwimmende Putenrindertofugrünkernbratling unter den Spielen, der es versucht allen recht zu machen und nach einigen Kompromissen im Bereich Grafik, Sound, Schwierigkeitsgrad und seltsam anachronistisch anmutender Spielmechanik stellenweise genau das liefert, was er schon in den ersten Trailern versprochen hat: Spielspaß. Den allerdings für jeden Spieler zu einem anderen Preis. Ich kann grafische Defizite und Mängel im Sound durchaus vernachlässigen, aber unfaire Stellen und Ladezeiten, die dem zweiundvierzigsten Kreis der Hölle entsprungen sein könnten, zehren manchmal sehr an meinem Nervenkostüm. Zumindest solange, bis der Duke einen Spruch ablässt, dann ist wieder alles in Ordnung.
Für alle, die die ganzen „Call of Dutys“, „Modern Warfares“, Medal of Honors“, „Counterstrikes“ und „Battlefields“ nicht länger sehen können, stellt der Duke zwar nicht die heilige Offenbarung dar, aber eine sehr willkommene Abwechslung. Der trashige Retrofaktor, der überzogene und karikative Humor, die Gegnerhorden und die abwechslungsreichen Levels wissen einige Spieler zu begeistern. Wer über die offensichtlichen Mängel hinwegsehen kann, bekommt eine Ladung Spaß geboten. Und Spaß vom mittlerweile sehr trist gewordenen Shooter-Alltag können wir alle vertragen. „Duke Nukem Forever“ ist weit entfernt von der Perfektion, die 3D Realms ursprünglich versucht hatte über die Jahre zu inszenieren. Was bleibt ist ein unfertig wirkender Shooter, der trotz seiner Mängel durchaus zu unterhalten weiß. Der unvergleichlich trashige Charme und die Liebe der Entwickler machen den Duke deswegen zu einem Anwärter zum Spiel des Jahres 2011.
Für einen Nachfolger würde ich mir trotzdem ein wenig mehr Gameplay und Atmosphäre aus einem Guß wünschen. Das Sequel wird dieses Spiel dann hoffentlich deutlich zu übertreffen wissen.
– Name und Systeme:
Duke Nukem Forever (360, PS3, Windows PC)
– Spieleranzahl:
1 (Einzelspieler), 2-8 (Multiplayer Online)
– Mehrkosten:
Zusatzinhalte angekündigt, für Vorbesteller und Mitglieder des „First Access Club“ wird die erste Erweiterung für den Multiplayer-Modus kostenlos sein
– gelungen:
Humor, Action, knackiger Schwierigkeitsgrad, Abwechslungen im Gameplay
– weniger/nicht gelungen:
deutsche Vertonung wirkt oft lustlos, deutliche Framerateeinbrüche unnötig
– hätte besser sein können:
Grafik relativ altbacken, an einigen wenigen Stellen deutlich zu schwer/unfair
– Kaufempfehlung für:
Fans von Duke Nukem, Fun-Spieler, Action-Fans, Edeltrash-Fans
Bitte beachten!
Dieses Spielereview unterliegt ausschließlich meiner persönlichen Betrachtungsweise und ist zu keinem Zeitpunkt dem Leser Objektivität schuldig. Die Eindrücke und Erfahrungen während des Spielens können, abhängig vom Gemütszustand der spielenden Personen, Fanboyallüren, verwendeter Technik und anderen ggfs. relevanten Faktoren stellenweise erheblich variieren. Dieser Artikel stellt keine Werbung im eigentlichen Sinne dar, sondern spiegelt lediglich meine eigene Betrachtung des Spiels wieder. Das Lesen dieses Artikels ist für alle Altersgruppen gestattet, für den Erwerb des Spiels gelten die jeweils gültigen nationalen Jugendschutzgesetze.
Und warum der Duke so großartig ist, wollt ihr wissen?
Macht Sinn, oder? 🙂