Von Abzocke, DLC-Wahnsinn und dem vermeintlichen Kampf gegen den Gebrauchtspielemarkt

Wenn sich der Spieler mit Hindernissen mannigfaltiger Art herumschlagen muss, war es meistens begründet durch Publisher und Entwickler, die ihre Spiele vor dem illegalen Kopieren und Veröffentlichen schützen wollten.

Jetzt hingegen scheint der Anbieter unserer Spaßware einen neuen Feind auserkoren zu haben: den ehrlichen Kunden! Und wäre es nicht so dermaßen traurig, ich würde nach dem letzten Satz für mindestens eine Woche lang nonstop Lachen, dieses auf Video aufnehmen, auf DuRöhre hochladen und mit komischer Regenbogenkatzenmusik untermalen.

Das Argument, dem Käufer mehr und mehr Hindernisse, Kontrollmaßnahmen etc. aufzubürden, zum Schutze geistigen Eigentums, ist seit Jahren schon Mode. Traurig, dass man sich daran überhaupt gewöhnen muss. Es gab mal eine Zeit, da dienten Wählscheiben zum Zusammenbasteln mit Nummernkombinationen als Schutz vor illegalen Kopien, aber das war zu einer anderen Zeit mit einem anderen Schlag von Menschen. Jetzt heißt der Dämon „Gebrauchtkäufer“, diejenigen also, die sich das Spiel aus zweiter Hand besorgen.

Wenn es um Maßnahmen geht, um Gebrauchtkäufer abzuschrecken, scheint den Firmen mittlerweile alles Recht zu sein. Online-Pass heisst der neueste Gaul im Stall und ermöglich Online-Multiplayergaming erst nach dem Einlösen des DLC-Codes, der neuen Exemplaren beiliegt, Gebrauchtkäufer müssen auf dem betreffenden Online-Marktplatz aber zwischen 10€ und 15€ bezahlen, um das Feature nutzen zu können.
Neueste Spiele mit dieser Masche sind zum Beispiel „Uncharted 3“, „Saints Row: The Third“, „Battlefield 3“ und zukünftig wohl viele mehr der marktbedeutsamen Spieleneuerscheinungen. Andere gehen anders vor und machen das Spiel quasi „unvollständig“, indem bestimmte Teile des Einzelspielermodus nur mit einem für Erstkäufer zugänglichen Code freischaltbar sind. Das betrifft aktuell zum Beispiel „Rage“, „Batman: Arkham City“, „Mass Effect 2“ oder auch „Alice: Madness Returns“ (dieses enthält den Vorgänger „American McGee’s Alice“). Oder noch krasser: DLC, der schon auf der Disc ist, aber für den nach dem Spielelaunch nochmals zur Kasse gebeten wird. Dieser betrifft allerdings auch die Erstkäufer, denen so nochmals zusätzlich Geld aus der Tasche geleiert werden soll. Spiele wie z.B. „Bioshock 2“, „Gears of War 3“ und „Resident Evil 5“. Alle diese Punkte haben eines jedenfalls immer gemeinsam: Kritik von Presse und Käufern wird heruntergespielt, ignoriert oder öffentlich wirksam als Bullshit abgetan. Die Rede ist von „Diebstahl“ und „Umsatzeinbußen“ durch den Gebrauchtspielemarkt. Zusatzeinnahmen durch Leute, die vorher umsonst an das Zeug gekommen sind, sollen so erreicht werden. Und für den Bruchteil einer Sekunde macht der geistige Abfall, der da durch die Branche geistert, tatsächlich Sinn.

Ich fange mit meinem „Lieblingspublisher“ an: EA! Das Unternehmen ist von einer Pleite ungefähr so bedroht, wie die Kakerlake vor der Ausrottung steht. Mal sehen, wie es um Take 2 Interactive steht? Von Krise keine Spur. Capcom? Nun, wer Spieleupdates als Vollpreistitel verkauft, sollte so schnell nicht am Hungertuch nagen. Sony? Haben die Lizenz zum Gelddrucken. Bis auf wenigste Ausnahmen (z.B. THQ, die sich in diesem Jahr erst ein potthässliches und wahrscheinlich teures neues Firmenlogo geleistet haben) geht es den Firmen gut. Von der Insolvenz sollte keines dieser Unternehmen unmittelbar bedroht sein.

Also ist es der Gebrauchtmarkt? Nun, nicht ganz. Betrachten wir einmal folgendes fiktives und vereinfachtes Beispiel: Ich kaufe mir ein Spiel (sagen wir mal „Duke Nukem Returns!“) für die Xbox 360 zum Preis von 50€. Der Handel hat seine Ware, der Staat bekommt seine Steuern und das Geld fließt an den Publisher. Ein Käufer, ein Spiel, alle sind zufrieden. Nun ist es so, dass ich das Spiel durchspiele, und keinen Anreiz mehr sehe, das Spiel behalten zu wollen (und ja, solche Leute gibt es immer wieder, spätestens dann wenn ein neues „Call of Duty“ oder „FIFA“ auf den Markt geschmissen wird, will man den alten Teil urplötzlich loswerden). Also knapp ein Jahr nach dem Kauf raus damit aus der Sammlung. Anleitung, Disc usw. alles in der Hülle und einen Käufer gesucht. Das ist jetzt entweder ein Spieleankäufer oder ein Bekannter, der das Spiel haben will und es mir für einen kleinen Freundschaftspreis abkaufen wird. Sagen wir mal, ich bekomme 15€, dann habe ich rechnerisch 35€ Verlust, hatte aber für die Zeit ein Spiel bei mir gehabt. Der neue Spieler hat für 15€ sein Spiel erhalten. Der Staat hat immer noch seine Steuern, der Handel hat immer noch seine Marge und der Hersteller/Publisher hat das Geld schon. Ein ehemaliger Spieler (das das Spiel nicht besitzt), ein Käufer, und alle sind zufrieden?

Nein, sagen die Heulsusen in den verarmten Softwareschmieden. Jeder Verkauf ist eine aktive Spielenutzung, wer gebraucht kauft, ist in den Augen dieser spitzfindigen Zahlenschieber nicht mehr als ein gewöhnlicher Dieb. Zeter und Mordio, wir wurden getrogen um unseren Heller. Schleudert den Burschen zu Boden und prügelt ihn windelweich, er, der uns nicht für das Spiel bezahlen will. Und um wieder in der Realität anzukommen… was ist hier genau passiert? Scheinbar erfolgen alle Äußerungen gegenüber Presse etc. aufgrund einer gemeinsamen Grundlage:

Wer das Spiel verkauft, besitzt es noch. Und gibt eine Kopie des Spiels an den Gebrauchtkäufer ab. DAS IST DIE EINZIGE LOGISCHE ERKLÄRUNG!

Alles andere, was an Argumenten, Rechtfertigung, etc. vorgebracht wird, muss auf dieser Tatsache aufbauen, um einen Sinn zu ergeben. Damit werden nicht nur Gebrauchtkäufer zu Dieben, sondern der Verkäufer zum „Raubkopierer“ (um mal einen etwas länger nicht mehr verwendeten Begriff zu verwenden). Spieler werden durchweg kriminalisiert, die eigentlich nur ein gutes Stück Software kaufen und spielen möchten. Die 15€ imaginären Verlusts durch den Gebrauchtkäufer pusht der Hersteller hier nämlich zu dem Vollpreis von 50€ hoch. Aber das ist nix neues, das Argument „eine Raubkopie = ein nicht verkaufter Tonträger“ benutzt schon die Musikindustrie und macht sich seit Jahren lächerlich.

Sieht man sich die Versuche im Bereich der PC- und Konsolenspiele an, um die Möglichkeit von illegalen Kopien nahezu unmöglich zu machen oder (im Bereich der PC-Spiele) per Registrierungszwang einen Wiederverkauf praktisch und reel unmöglich gemacht haben, muss meine Annahme ein Fehler sein. Oder zumindest eine grobe Fehleinschätzung. Ganz nach Sherlock Holmes „When you have excluded the impossible, whatever remains, however improbable, must be the truth.“ bleibt uns nur das endgültige Resultat: Geldgeilheit!

Und das ist das einzige, was angesichts der Geschütze, die nach und nach aufgefahren werden, Sinn ergibt. Der Hersteller versucht nach jeder erdenklichen Methode Geld zu machen. Und schrammt dabei mehr als einmal knapp an der Schwelle zum Betrug vorbei. Vergesst das Geschwafel von Gebrauchtspielen, sie stellen in den Augen aller Spieler lediglich eine Schutzbehauptung dar. Der Kampf gegen illegale Spielekopien macht am ehesten noch Sinn, durch den Registrierungszwang bei vielen Spielen und/oder anderen Überwachungsmechanismen wird die Möglichkeit zur Anfertigung von Kopien für Normalnutzer sehr schwer gemacht. Eine Sache, die hier Sinn ergeben könnte, ist die dunkle Seite des Internets, die Release-Groups, Cracker etc. die fast schon wettbewerbsähnlich versuchen, das Spiel und deren Schutzmechanismen als erste zu umgehen und bereitzustellen. Legal ist das sicherlich nicht, aber angesichts der Maßnahmen, die die Industrie ergreift, um die Käufer einzuschränken sicherlich eine Möglichkeit, auf die Missstände aufmerksam zu machen. Dass man dem einen Riegel vorsetzen will ist logisch, aber dass dieser Kampf auf Rücken der Kunden ausgetragen wird, ist grotesk.

Man beisst nicht die Hand, die einen füttert. Diese Weisheit scheint in den Köpfen diverser Hersteller noch lange nicht angekommen zu sein. In den Köpfen einiger Kunden auch nicht, anders ist es nicht zu erklären, dass die Hersteller mit dieser Masche leider immer noch Erfolg haben. Ich kann nur an uns Spieler appellieren, sich die Spiele zu kaufen, die einem gefallen. Ob und wie man diesen DLC-Wahnsinn unterstützen muss, bleibt euch überlassen. Bei First-Day-Käufen von Spielen sicherlich eine Möglichkeit, sein Spieleerlebnis mit der Zeit zu erweitern. Wenn man jedoch warten kann, sollte man sich solange in Geduld üben, bis die Hersteller eine Edition auf den Markt bringen, die alle Downloadzusätze enthült. Dann bekommt man die Software meistens nur noch zu einem geringeren Preis, dass sich letztlich ein Weiterverkauf auch nicht mehr ansatzweise lohnt. Vielleicht wäre das ein Ansatz: der Budget-Markt? Ließe sich hierrüber nicht noch ein wenig sinnvoll verdienen, ohne dem Kunden zusätzlich Inhalte in Rechnung stellen zu müssen?

Und ich möchte auch noch an die Hersteller appellieren, sinnvoll abzuwägen, wann und wie man dem Kunden etwas berechnen sollte und für welchen Gegenwert. Aktionen wie bei „Gears of War 3“ sollten sich am Besten nie wieder wiederholen, das ist im Sinne aller beteiligten… auch des Herstellers! Denn welcher Anbieter von Software will sich von seinen ehrlich zahlenden Kunden schon Betrugsvorwürfe anhören müssen? Eben. Sollte einer der Hersteller dieses hier lesen und mir widersprechen wollen (was sein gutes Recht ist), bitte ich um Bereitstellung eines realistischen Rechenbeispiels, warum der Gebrauchtmarkt die Spielehersteller schädigen sollte? Und ernsthaft, ich bitte instä#ndig darum, dass die Hersteller mir widersprechen. Denn ich mag den Gedanken nicht, dass der ehrliche Kunde eiskalt und rücksichtslos abgezockt wird.

Eien andere finale Überlegung ist, dass der Markt zur Zeit einfach übersättigt ist. Vielleicht tut uns allen ein Reboot gut. tabula rasa. Zu alten Tugenden zurückkehren. Lasst den Videospielemarkt kollabieren, ca. 2-3 Jahre für einen Wiederaufbau verwenden und mit neuer Stärke und Konzepten zurückkehren, die sowohl Kunden und Hersteller, wie auch dem Handel zugute kommen. Aber diese Utopie wird wohl so nie stattfinden. Dazu sind die Führungsreihen vermutlich zu verkrustet, als dass man da was verändern, geschweige denn überhaupt irgendwas irgendwie bewegen könnte.

Bis dahin, an all die Firmen da draußen, die…

ihre Kunden für bereits gelieferten Inhalt extra zur Kasse bitten,
Spiele unvollständig ausliefern und gegen Entgelt vervollständigen,
ehrliche Käufer hinters Licht führen,
für eine normale Spielefunktion Restriktionen zur Nutzung durch den Spieler erzwingen,

… YOU HAVE BEEN BASHED!!!