Review – Alan Wake

Lange habe ich gezögert, zu frisch waren die Eindrücke. Nichtsdestotrotz möchte ich euch mit einem bescheidenen Review meinerseits zum Spiel „Alan Wake“ beglücken, den ich hoffentlich soweit spoilerfrei gestalten werde. Vorhang auf und herzlich willkommen in Bright Falls.

Wir erinnern uns? Selten wurde eine Limited Edition zu einem Spiel mit soviel Liebe zum Detail gestaltet. Das Abenteuer rund um die Hauptfigur Alan Wake geht dennach nicht erst mit dem Einlegen des Spiels in die Konsole los, sondern schon beim Auspacken.

Okay, den visuellen Orgasmus beiseite gepackt, das Spiel in die Hand genommen und los gehts. Das Spiel „Alan Wake“ ist in insg. 6 Episoden (+ 2 zusätzliche, die dieses Jahr über DLC zur Verfügung stehen) unterteilt und erinnert nicht von ungefähr an eine TV-Serie. Es gibt Plot-Twists, Cliffhanger, einen Rückblick am Anfang der nächsten Episode über die Geschehenisse der vergangenen Episoden und jedes Mal am Ende einer Folge einen sehr stimmungsvollen Song.

Die Stärken von „Alan Wake“ liegen nicht in der Grafik, die zwar wunderschön anzusehen ist, sondern gänzlich woanders. Wie schon im Werk „Max Payne“, sowie dessen Nachfolger „Max Payne 2“, ist hier der innerlich zerrissene Charakter im Zentrum. Die Aura des mysteriösen, die über der idyllischen Stadt Bright Falls schwebt, sowie die zahllosen Geheimnisse und Anspielungen auf vergangene Geschehenisse, machen den Hauptreiz des Spiels aus. Und hier rede ich jetzt lediglich von Bright Falls und der Umgebung im „Tageslicht“… denn wehe, es ist dunkel. Aber dazu später mehr.

Die Charaktere sind lebendig, die deutsche Sprachausgabe ist bestenfalls gewöhnungsbedürftig. Anglophile Spieler müssen ihre Xbox 360 demnach auf englische Sprache umstellen, wenn sie das englische Original hören wollen, da es nicht möglich ist, die Sprache über eine Option im Spiel selbst zu ändern. Das ist schade, hat so etwas doch unkompliziert schon bei Spielen wie „Brütal Legend“ geklappt. Die Charakteranimationen wirken stellenweise etwas abgehackt, kann aber vernachlässigt werden. Die Steuerung geht butterweich von der Hand, die Buttonbelegung ist in sich stimmig und sinnvoll. Nach sehr kurzer Eingewöhnung geht das Nachladen der Waffe, Batteriewechsel, Lichtstrahl fokussieren und gegnerischen Treffern ausweichen in einem Zug ohne größere Probleme. Und falls doch was schiefgeht: das Spiel hat relativ großzügig Speicherstationen in Form von hellen Lichtkegeln plaziert, die einen nicht nur vor den meisten gegnerischen Angriffen schützt (außer vor Vögeln), sondern auch als Schnellheilstation fungiert. Keine „Painkillers“, der Charakter heilt sich selbst und reiht sich damit ein in die Riege der Schnell- und Selbstheiler unter den Spielecharakteren. Was wirklich stört ist die begrenzte Ausdauer von Alan… seid ihr auf der Flucht dann geht dem guten Autor nach kürzester Zeit gehörig die Puste aus. Was seine Gegner nicht von sich behaupten können, die rennen wie Forrest Gump einfach weiter und weiter. Das gibt dem Spiel stellenweise einen leichten Panikfaktor, speziell wenn ihr in einer der seltenen Situationen von Munitionsknappheit seid und einfach nur ins Licht rennen müsst oder vielmehr wollt. Wehrhaft seid ihr zur Genüge: Es gibt den obligatorischen 6-Schüsser, Schrotflinten, Pumpgun, Jagdgewehr, Lichtpistole, sowie Leuchtfackeln, Blendgranaten und Taschenlampen en masse. Der strategische Einsatz sollte jedoch an erster Stelle stehen. Lohnt es sich, jetzt die Typen einzeln aufs Korn zu nehmen oder vielleicht aus kürzerer Distanz mit der Pumpgun effektiv mehr Schaden zu verursachen? Oder direkt eine größere Horde locken, eine Blendgranate werfen oder Leuchtpistole abfeuern und effektiv neben der Beseitigung der BEsessenen noch den einen oder anderen Archievment samt Gamerscore abstauben? Wie ihr „Alan Wake“ spielt, bleibt euch zum Glück, größtenteils selbst überlassen.

Nun zu dem, was „Alan Wake“ auszeichnet: die Bedrohung. Wer von euch damals nach einer längeren Resident Evil Durststrecke den vierten Teil erstmal spielen durfte, wird sich vielleicht erinnern: Die Panik, gehetzt und in die Enge getrieben, der Wille zu überleben und währenddessen die Luft mit Bleihaltigem zu schwängern. Das Gefühl der Bedrohung ist allgegenwärtig. Speziell, wenn der Wind anfängt über den Bildschirm zu rasen, helle und dunkle Flecken über den Boden huschen und die Musik hektischer wird, dann stellen sich euch nach einiger Zeit die Nackenhaare auf. Aber auch abseits der offensichtlichen Gefahr werdet ihr manchmal überrascht, wenn quasi aus dem Nichts einige in Dunkelheit gehüllte Gegner zu sehr auf Tuchfühlung gehen. Licht ist eure größte Waffe. Keine Frage: der eigentliche Star des Spiels ist nicht der Autor Alan Wake, auch nicht die Stadt Bright Falls, sondern die Dunkelheit. So bedrohlich die dunklen Passagen auch sein mögen, umso sicherer fühlt ihr euch in einer der wenigen Sequenzen, an denen ihr euch hinter das Steuer eines Autos klemmt und die Besessenen über den Haufen fahren könnt. Je nach Qualität eurer Fahrtkünste werdet ihr das entweder kürzer oder länger durchstehen, ehe ihr entweder aussteigen müsst, weil es kein Weiterkommen gibt oder der Wagen so ramponiert wurde von Attracken oder Hindernissen dass dieser nicht mehr fahrbereit ist. Und dann geht die Hetze wieder von vorne los.

Was stellenweise ins Gewicht fällt, ist, bei aller guten Planung, Design und Tüfteleien, dass viele Events zu offensichtlich gescriptet worden sind und darüber hinaus mit „Einbahnstraßen“ versehen sind. Kleinere Sprünge nach unten, von wo es erstmal keinen Weg nach oben in den sicheren Lichtkreis bzw. die Deckung gibt, Türen und Treppen, die bestimmte Ereignisse auslösen (meist das massenhafte Auftauchen von Besessenen) oder aufgehobene Items. Und trotzdem bleibt auch abseits dieses Spiel genug Platz für Erkundungen. Seien es die zahlreichen Manuskriptseiten, die die Story gelungen weitererzählen, oder die verteilten Radio- und Fernsehsendungen. Die Altrocker von „Old Gods of Asgard“, die euch garantiert das eine oder andere Schmunzeln angewinnen werden. Die vielen Plakate und Schilder, die euch in die Welt von Bright Falls hineinversetzen. Und schließlich die alleinige Frage, die sich jeder stellt, der den Abspann gesehen hat: Gibt es eine Fortsetzung? Denn das zugegebermaßen offen gehaltene Ende gibt Platz für einen Nachfolger. Ich warte erstmal beide Zusatzepisoden ab und hoffe auf Remedy, dass „Alan Wake“ kein guter Einzelfall, sondern hoffentlich ein Dauergast auf der 360 bleiben wird. Solange die Abwechslung stimmt, das Gesamtkonzept gut und weiter ausgearbeitet wird und man sich auch die Urteile der Fans anhört, kann eigentlich nichts mehr schiefgehen.

Das Spiel benötigt knapp 6,2 GB an Speicherplatz, solltet ihr euch für eine Installation auf der 360-HDD entscheiden. Es sei dringend anzuraten, nicht zuletzt wegen des doch relativ lauten Laufwerks, was die Musik- und Soundeffekte im Spiel doch ein wenig übertönen könnten. Ich hatte selbst leider noch keine Gelegenheit zu testen, wie der Sound auf einem Surround-System mit ordentlichem Subwoofer läuft, da befürchte ich, werde ich in nächster Zeit ein weiteres Mal nevermore mit meiner 360 heimsuchen müssen. Die musikalische Untermallung ist stimmig und passt hervorragend in das Setting. Die Lichteffekte sind schön anzusehen, speziell wenn die Besessenen oder andere vom Dunkel übernommenen Gegenstände final in Funken aufgehen. Die Zeitlupensequenzen, in denen man den Gegnern ausweicht, erinnern an den guten Max Payne. Wer die Payne-Teile gespielt hat, kommt sich bei „Alan Wake“ vor wie bei einem Familientreffen: Man hat einiges übernommen und man fühlt sich sofort heimisch.

Machen wir uns nix vor: „Alan Wake“ reißt grafisch vielleicht keine Bäume aus, dafür sehen diese trotzdem ganz gut aus. Die Effekte sind, bis auf einige seltene „Wow“-Effekte, guter Standard. Der Sound ist erstklassig, bis auf die verhältnismäßig schlechte deutsche Synchro. Der Wiederspielwert ist, nicht zuletzt durch die Manuskriptseiten, auch gegeben. Es wird zwar nicht das beste Spiel aller Zeiten sein, aber ist verdammt nah dran. Für 360-Besitzer führt meines Erachtens kein Weg an „Alan Wake“ vorbei. Dieses Spiel gehört in jede gut sortierte Spielesammlung, neben die Meisterwerke „Max Payne“ und „Max Payne 2“.

– Name und Systeme:
Alan Wake (Xbox 360)

– Spieleranzahl:
1

– Mehrkosten:
erste Episode mit Gutscheincode kostenlos (ansonsten 560 MS-Points), zweite Downloadepisode kostenpflichtig (ebenfalls 560 MS-Points), keine weiteren DLC-Episoden außer den beiden

– gelungen:
Atmosphäre, Spannung, Angstgefühl und Panik, Musik und Sound, Kampfsystem

– weniger/nicht gelungen:
deutsche Sprachausgabe, Grafik stellenweise sehr grob

– hätte besser sein können:
Munitionsverteilung in den einzelnen Levels zu unausgeglichen, mehr Gegnertypen

– Kaufempfehlung für:
Stephen-King-Leser, Survival-Horror-Fans

Bitte beachten!
Dieses Spielereview unterliegt ausschließlich meiner persönlichen Betrachtungsweise und ist zu keinem Zeitpunkt dem Leser Objektivität schuldig. Die Eindrücke und Erfahrungen während des Spielens können, abhängig vom Gemütszustand der spielenden Personen, Fanboyallüren, verwendeter Technik und anderen ggfs. relevanten Faktoren stellenweise erheblich variieren. Dieser Artikel stellt keine Werbung im eigentlichen Sinne dar, sondern spiegelt lediglich meine eigene Betrachtung des Spiels wieder. Das Lesen dieses Artikels ist für alle Altersgruppen gestattet, für den Erwerb des Spiels gelten die jeweils gültigen nationalen Jugendschutzgesetze.